Tipps und Tricks zum erfolgreichen Start in ein MES-Projekt

Fokus, Prozesskompetenz und validierter Themenspeicher

Der klassische Auswahlprozess für ein Manufacturing Execution System (MES) zeichnet sich fast ohne Ausnahme durch einen umfangreichen Anforderungskatalog sowie intensive Systempräsentationen aus. Ist der Software-Partner nach langen Diskussionen schlussendlich gewählt, ist die Vorfreude auf den Projektstart groß. Einen ähnlichen Höhenflug erlebt dabei die Anspruchshaltung an den Lösungsumfang: Maximaler Ausbau in minimaler Zeit. Wie kann dieser Spagat gelingen? Die drei nachfolgenden Tipps des MES-Herstellers Carl Zeiss MES Solutions GmbH sind aus der Praxis, für die Praxis.

 

Der FOKUS

Zu Beginn jedes MES-Projekts ist die Euphorie der Fachbereiche groß, schließlich verspricht die Implementierung die Erfüllung einer langen Liste an Bedürfnissen. Damit die Welle an Dringlichkeiten das MES-Projekt jedoch nicht im Keim erstickt, gehört es zu den wichtigsten Aufgaben eines Projektleiters, den richtigen Fokus zu setzen. Diesen findet er am einfachsten in der Beantwortung folgender Frage: Was sind die wichtigsten Funktionen, um die definierten wirtschaftlichen Ziele zu erreichen? Geht es um:

  • Die Reduktion von Ausschuss und Nacharbeit?
  • Transparenz in der Fertigung durch Online-Monitoring und Prozessregelung?
  • Die Verkürzung der Produktionsdurchlaufzeit?
  • Die Steigerung der Ressourceneffizienz mittels Kennzahlen und KVP?
  • Das Einführen eines digitalen Datenfundaments für umfassende Analysen (KPI, KI, Closed Loops)?
  • Das Reduzieren administrativer Tätigkeiten im Sinne der papierlosen Fertigung?

 

ZEISS GUARDUS Tipp:

Die Kunst der Rückbesinnung auf das ursprüngliche Ziel ist entscheidend für den Projekterfolg. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass die Projektkomplexität im Projektverlauf wächst und damit das Vorhaben aus den Fugen gerät. Aus einer vormals effizienten Idee entwickeln sich langwierige, iterative Verfahren, die in ERP-Manier versuchen, alles zu umschließen. Diese Technik hat jedoch im Shopfloor nichts zu suchen. Dort gilt es, den MES-Gedanken schrittweise über Produktsegmente, Linien oder Werke umzusetzen. Setzen Sie also bei allen Change Requests und Anpassungswünschen konsequent den Rotstift an, die nicht den wirtschaftlichen Nutzen des MES-Ziels unterstreichen. Ist dieses erreicht, bleibt immer noch ausreichend Zeit für weitere Ausbaustufen und Optimierungsphasen.

 

Die PROZESSE

Damit ein MES-Projekt in attraktiver Projektlaufzeit seine gesteckten Ziele erreicht, benötigen alle Beteiligten ein tiefes Verständnis von Ursache und Wirkung. Gemeint ist damit das komplexe Geflecht an Abhängigkeiten in den Prozessketten der Wertschöpfung. Stellen Sie sich folgende Fragen: Bringt die Einführung einer bestimmten Funktion eine Prozessänderung mit sich? Wenn ja: Hat diese Prozessänderung wiederum Auswirkung auf andere Abläufe? Wenn ja: Wie kritisch ist diese Interaktion im Sinne der Prozessvalidität und -sicherheit? Die Implementierung eines individuellen Reporting-Exports in ein externes Management Information System birgt wohl keine Kritikalität, wenn die Daten valide sind. Doch wie ist es mit folgendem Szenario: Das BDE-Modul meldet Gut- und Ausschussmengen aus der Produktion an das ERP zurück. Diese Rückmeldung löst im ERP eine materiallogistische Buchung aus, die wiederum Einfluss auf die weitere Bedarfsplanung hat und ggf. bis auf das direkte Umlaufvermögen des Unternehmens durchschlägt. Wie ist eine solche automatische Interaktion in der Gesamtkonsequenz zu sehen? Insbesondere die hochintegrativen digitalisierten Prozesse erzeugen diese Gesamtkonsequenzen.

 

ZEISS GUARDUS Tipp:

Bei den Prozessen und deren Adaption, sei es bei Anpassungen an eine Standardsoftware – oder umgekehrt, sollte eine wichtige Unterscheidung getroffen werden:

  • Gekapselten Prozesse, die keinen Einfluss auf andere Bereiche haben
  • Prozesse deren Informationen für andere Prozesse von funktionaler Bedeutung sind.

Im zweiten Fall ist immer die Gesamtkonsequenz vor der Adaption zu validieren.

 

Die MEILENSTEINE

Änderungswünsche, die nicht dem Primärziel der MES Einführung dienen, sollten in einer zweiten Optimierungsphase zum Tragen kommen und in einem Themenspeicher während der Projektphase gesammelt werden. Nach dem erfolgreichen Go-Live wird dieser Think Tank dann sukzessive abgearbeitet. Hier gilt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Ein Go-Live kennzeichnet sich nicht nur durch einen Produktivstart. Vielmehr ist er die Grundlage für Lessons Learned. Geplante prozessspezifische Folgeprojekte oder das Aufsetzen neuer Tools und Module sollten also immer unter Zuhilfenahme dieses Erfahrungsschatzes validiert und gegebenenfalls neu interpretiert werden.

 

ZEISS GUARDUS Tipp:

Fachbereiche, die aufgrund dieser Vorgehensweise im ersten Schritt nicht zum Zug kommen, sollten nicht verzagen. Denn werden die Vorteile und der wirtschaftliche Nutzen eines durchgängigen Manufacturing Execution Systems erst einmal im Alltag nach dem Go-Live spürbar, verbreitet sich der MES-Appetit häufig wie ein Lauffeuer im gesamten Unternehmen. Selbst die Controlling-Abteilung gibt grünes Licht für zusätzliche Budgets. Denn es gibt kaum eine Software-Einführung, deren Effizienzziel gerade im Industrie 4.0-Umfeld zukünftig attraktiver ist.